Oliver Spiess | 21 August 2019

Leuggern. Ein Sommermärchen

Bâton d‘Or

Im heiteren Monat August war’s, die Tage wurden kürzer, der Wind riss noch nichts von den Bäumen, da reiste die Kubbelite nach Leuggern hinüber. Das kleine Dörfchen im Unteren Aaretal verwandelte sich vergangenes Wochenende wieder zum Brennpunkt der europäischen Kubbszene und zog neben weltmeisterlichen und europameisterlichen Gästen aus Belgien auch deutsche Spitzenreiter in die Schweiz. Mit insgesamt hundert Teams bleibt der KCUA Cup 2019 das grösste Schweizer Kubbturnier und im Bâton d’Or - der Einzelmeisterschaft - wurde sogar ein Teilnehmerrekord verzeichnet: Ganze 117 Spielerinnen und Spieler kämpften um den angesehenen Titel. Obwohl der Schweizer Kubbkalender dieses Jahr übermässig erweitert wurde und die siebente Ausgabe des KCUA Cups so früh wie seit 2014 nicht mehr stattfand, war das Turnier wieder einmal für eine Vorentscheidung in der Kubbtour prädestiniert. Doch zum Matchpoint der Kubbtour sollte das Grossevent noch nicht werden…

Bereits am Donnerstag besiedelten erste ausländische Kubbnomaden das Turniergelände, während die Organisatoren des KCUAs noch Felder aufstellten und letzte Vorbereitungen trafen. Die grosse Masse aber folgte dann am Freitag: Bereits zum dritten Mal in dieser Saison – nach dem Havana und dem Trinamo Kubb - wurden die kubbfreudigen Gäste von einem Heer glänzend neuer Kubbsets im grossen Format begrüsst. Mit der Umstellung am grössten und somit wichtigsten Schweizer Turnier des Jahres sind die Weichen nun wohl endgültig in Richtung «grosse Sets» gestellt. Neben den anderen Turnieren, die dieses Jahr den wegweisenden Wechsel vollziehen (Trinamo, Kubbmasters Bern, Tenedo Kubb, Finisseur), wird im nächsten Jahr wohl auch am zweitgrössten Turnier – dem Dreitannenopen in Olten – mit den neuen Sets gespielt. Begrüsst wurde man nebst den neuen Sets insbesondere durch die gemütlichen Pergolen, die liebevoll mit Efeu geschmückt und mit Festbänken unterstellt ein Herzstück des Turniers darstellen und dementsprechend schnell zum Pausenplatz und Sammelpunkt für Pausierende und Ausgeschiedene wurden.

Auch die meisten Topfavoriten mussten spätestens im Viertelfinale die Segel streichen: Während sich der Deutsche Steven Warnick (Franz Ludwig) – Sieger der ersten Edition des Bâton d’Or – schon im Achtelfinale gegen Röshi (Roger Ammann) aus dem Turnier verabschieden musste, verloren im Viertelfinale auch die Sieger der letzten beiden Ausgaben: Titelverteidiger Mettes (Koen Mertens) aus Belgien zog gegen den Überraschungsspieler des Tages – Voegi18 (Nicolas Vögeli) - den Kürzeren, Beni the Gun (Marc Binder) musste wie schon Franz gegen Röshi einpacken. Letzterer legte an diesem Freitagabend wieder einmal eine Glanzleistung an den Tag: Nach zwei klaren Siegen in den ersten zwei KO-Runden besiegte er auch den belgischen Spitzenspieler Ward mühelos mit 3:1, eliminierte Franz und Beni mit 3:2 bzw. 3:1 und zog schlussendlich nach einem knappen Halbfinalspiel gegen Drunken Monkey (Andreas Pieper) ins grosse Finale ein. Dort stellte Röshi - seinem Spitznamen „Goldjunge“ gerecht werdend – seine unglaublichen Qualitäten als Turnierspieler ein weiteres Mal unter Beweis: Im Finale hatte er „keine Chance und nutzte sie“, wie Kubbtour-Präsident Buschi am Sonntag nach dem Turnier kommentierte. Im Endspiel nutzte er nämlich seine langjährige Turnier- und insbesondere Einzelturnier-Final-Erfahrung und schlug den hochdotierten und leicht nervös wirkenden jungen Belgier Yentel Castrel mit 3:1. Somit krönt sich der goldene Junge Röshi zum ersten und bisher einzigen Kubbspieler, dem das Einzelturnier-Triple gelang: Kein anderer gewann in seiner Karriere die drei Schweizer Einzelturniere 1vs1-Schweizermeisterschaft, Bâton d’Or und Mighty Kubber. Einer, dem zu diesem Glanztrio im Palmarès nur noch der Sieg in Leuggern fehlt, beseitigte Voegi18 im Sechzehntelfinale aus dem Turnier: Gravensteiner (Roger Züst). Nach zwei weiteren 3:2-Siegen gegen Newcomer-Star Fletcher (Silvan Zünd) und Weltmeister Mettes reichte die Leistung dann im Halbfinale gegen Castrel nicht. Im kleinen Finale gegen Drunken Monkey sicherte sich KCUA-Küchenchef Voegi18 aber immerhin noch die zweite Einzelturnier-Bronzemedaille nach seinem ersten Erfolg an der Schweizermeisterschaft 2017.

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KCUA Cup, Sieger der Herzen und Ausblick

Am Samstagmorgen startete das Teamevent um neun Uhr ins erste Spiel der Gruppenphase. Dabei fühlte sich wohl vor allem einer ziemlich verloren: "Hafenkneipenleiter" Johannes Haslimeier stand seinen Gegnern im ersten Duell ganz alleine gegenüber – seine Mitspieler hatten verschlafen. Folgerichtig bestritt das Badener Kubb-Urgestein sein erstes Spiel des Tages bloss mit zwei Stöcken, wie es die Spielregeln verlangen. Nach drei Runden schaffte er es nicht mehr, alle Kubbs mit zwei Stöcken abzuräumen und musste sich schlussendlich geschlagen geben. Auch alle weiteren Gruppenspiele verlor Tent it Up 1 – der dritte Spieler sollte bis zum Abend nicht aufgetaucht sein und die Badener spielten alle Gruppenspiele mit vier Stöcken. Allzu tragisch ist es in Leuggern jedoch nicht, alle Gruppenspiele zu verlieren: Weiter in die KO-Phase kommen jeweils alle Teams, die letztplatzierten jeder Gruppe dürfen lediglich nur im Einzel- statt Doppel-KO fortfahren und entsprechend kein einziges Spiel mehr verlieren, um ins Finale zu kommen. Nachdem Tent it Up 1 im vergangenen Jahr noch die Siegerrunde gewann – und somit bis zum Halbfinale kein einziges Spiel verlor, da dann aber trotz der freien Gegnerwahl ausschied – startete das Team in diesem Jahr vorerst ganz unten im Tableau. In der Mittagspause versammelte sich das gut gelaunte Kubbvolk wiederum unter den schattenspendenden Pergolen und der zeltbedeckten Sofalounge, um seine Aufmerksamkeit ganz den Älplermakronen des Vorabend-Dritten Vögi zu schenken. Ergänzend zu den Makronen, welche sich in der Kubbschweiz schon längst einen Namen gemacht haben, wurde auch dieses Jahr wieder die ebenso berühmte «Bob’s Soljanka» angeboten.

Nach der Stärkung startete mit den KO-Spielen die ganz heisse Phase des Turniers. In der Siegerrunde – deren ungeschlagener Sieger ohne Verlust des für den Doppel-KO bezeichnenden Extralebens direkt fürs Halbfinale qualifiziert ist - spielten sich Breitizone und das Berliner Team ILTIS ins Endspiel. Letzteres Team zog den Kürzeren und musste eine Extrarunde in der unteren Hauptrunde einlegen. Dort ereignete sich in der Zwischenzeit ein ganz anderes Spektakel: Tent it Up 1 – am Mittag immer noch nur zu zweit vor Ort – schnappte sich vor dem ersten KO-Spiel KCUA-Cup-Drahtzieher und -Bauchef Rää (Severin Häfliger, welcher auf eine Teilnahme am Turnier eigentlich wie immer verzichtete) und eliminierte im Erstrundenspiel prompt die belgische Topcombo "Ginger Jack and his miraculous Thunderbirds". Der dritte Mann der Originalbesetzung blieb den gesamten Tag aus und so nahm das Märchen von Leuggern seinen Lauf: Tent it Up 1 spielte sich genau wie Einzelmeister Röshi (nur etwas anders) in einen Rausch und war nicht mehr zu stoppen. Ob Nonjimm Cuba ohni Libre, Famagusta (in den bisherigen zwei Turnierteilnahmen dieses Jahres zweimal auf dem Podest), Botschaft B (die im Voraus zu Recht gefürchtete Mixtur aus Giulio, Lim und JJ), Kubb Monsieur (frischgebackener Europameister) oder Streichelzoo: Keines der namhaften Kubbteams vermochte den Tent etwas entgegenzusetzen und somit war die Sache geritzt: Tent it Up 1 stand nach einem desaströsen Morgen mit keinem einzigen Sieg im Finale des siebenten KCUA Cups.

Dort wartete Öpfelbaum 1. Die drei Jungs aus Stetten zeigten wieder einmal den ganzen Tag lang eine gewohnt souveräne Leistung und spielten im Halbfinale gegen Breitizone ihr bestes Spiel des Tages: Mit einem Dreirundensieg im ersten und einem Zweirundensieg im zweiten Satz liessen sie dem Kubbtourleader keine Chance – mit nur gerade sieben Würfen besiegelten sie im zweiten Satz den Finaleinzug. Während sich Breitizone im kleinen Finale noch die Bronzemedaille schnappte, versammelte sich die Kubbmeute nun um die Arena inmitten des Sportplatzes, um den Inbegriff eines Klassikers mitzuverfolgen: Das letzte Final, in dem sich die Tents und die Öpfis gegenüberstanden, ist schon sage und schreibe acht Jahre her! Umso öfters kam diese Begegnung in jenem Jahr aber vor: 2011 machten die zwei Legendenteams ganze dreimal die ersten beiden Plätze untereinander aus. Unglaubliche 19 Medaillen (!) teilten sich Kubbtourleader und -verfolger in dieser Saison. Seither hiess es nur 2014 im Finale des Sjökillar Kubb "Tent it Up versus Öpfelbaum 1". Damals half Öpfelbaum-Kubber Baus aber bei den Tents aus und Öpfelbaum startete nicht in der heutigen Fanion-Besetzung, weshalb jenes Duell nicht in die Statistik einfliesst. Über den für das Turnier in Leuggern bekannten roten Teppich joggten also die Finalisten aus Baden und Stetten - flankiert durch das gespannte Publikum - in die Finalarena.

Im eher langen ersten Satz spielte das Stettner Team etwas schwächer als gewohnt – stehengelassene Kubbs (ein "falscher Hase" waren die Folge. Trotz des falschen Hasen reichte es den Tents aber nicht zum Finisseur – und Öpfelbaum legte zum 1:0 vor. In den drei folgenden Sätzen hatte Öpfelbaum dann gegen ein sehr starkes Tent it up keine Chance mehr. Die Base war jeweils schnell geräumt und nicht selten konnte sogar der Erstschütze Hennessy seinen zweiten Stock für die Achtmeterkubbs verwenden. Nach einem insgesamt doch sehr schnellen Finale stand der Sieger also fest und Rää da, wo ihn am Morgen niemand erwartet hatte: Auf dem Podest desjenigen Turniers, an dem er aufgrund seiner OK-Tätigkeiten eigentlich nie teilgenommen hatte. „Wer würde es ihm schon nicht gönnen?“, fragt Lüg (Lukas Huser) von Öpfelbaum 1 rhetorisch nach. Im „Sieger der Herzen“-Turnier für Amateurteams und Gelegenheitsspieler mischten vor allem bekannte Namen vorne mit: Erster wurde Ruinebräu vor BRZ Due. Den dritten Platz schnappte sich im kleinen Finale das Team Unterholz gegen das Team Harris. Das festivalartige Kubbwochenende wurde schliesslich mit einem Novum der Schweizer Kubbszene abgeschlossen: Eine offizielle Afterparty im Partyzelt inklusive DJ-Set von Chaque! Bis in die frühen Morgenstunden wurde gemeinsam gefeiert, getanzt und gelacht.

Was das Jahresranking betrifft, trat genau das nicht ein, was für die Spannung zu befürchten war: Leader Breitizone gewann den KCUA Cup nicht zum dritten Mal in Folge, auch Verfolger Öpfelbaum 1 wird nicht Erster, sondern ein neues Team holt sich die goldene Medaille und prescht somit im Kubbtourranking von Platz vierzehn gleich auf den fünften und das trotz des Verzichts auf ein Drittel der gewonnen Punkte (wegen der Aushilfe durch Rää). Oder kurz: Es bleibt spannend! Auf jeden Fall kann aus Schweizer Sicht stolz verkündet werden: Obwohl das Teilnehmerfeld des KCUA Cups wie immer äusserst international besetzt war, gelang es zum siebenten Mal in sieben Ausgaben einem Schweizer Team, das Turnier zu gewinnen. Und um zum ersten Satz des Berichts zurückzukehren: Am Sonntagmorgen hatte der Wind noch nichts von den Bäumen gerissen – nach dem Riesensturm in der Nacht auf Montag jedoch schon. Und wer war es, der zum Wochenbeginn das von Wind und Wetter (und ein bisschen vielleicht auch von der Fete) geschundene Partyzelt wieder aufpäppelte? Genau jener Bauchef und OK-Pfeiler Rää, der zwei Tage zuvor noch für einen märchenhaften Turniersieg sorgte.

Nach dem Megaevent in Leuggern geht es kommenden Samstag mit dem Tournoi Kubb in Yverdon-Les-Bains eher gemütlich weiter. Die Anmeldung ist hier immer noch möglich.

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